Evangelium und Kirche

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Schädigende 5G-Strahlung - ein Verschwörungsmythos?

Von Prof. Dr. Werner Thiede, EuK-Informationen 1/2021

 

Verifizierbare Fakten oder Fake-News und moderne Mythen, es scheint so einfach das eine vom anderen unterscheiden zu können. Prof. Werner Thiede beschreibt am Beispiel der 5G-Strahlung wie schwierig eine eindeutige Beurteilung ist.

 

Verschwörungstheorien lassen sich als moderne „Mythen“ beschreiben, die Weltprobleme angeblich „wissend“ und doch so einfach erklären wollen, dass sie dabei meistenteils auf seriös zitierbare, insbesondere wissenschaftliche Belege verzichten und allzu undifferenziert bleiben. Auch um den fast weltweit für flächendeckenden Einsatz angesagten 5G-Mobilfunk ranken sich Verschwörungsmythen. Sie unterstellen etwa, man habe es hier mehr oder weniger mit krank machenden „Strahlenwaffen“ zu tun, und die neue Technologie diene im Interesse ganz bestimmter Strippenzieher der Errichtung einer globalen Überwachung von Menschen und Dingen.

Namentlich die sektiererische Gruppe „Organische Christusgeneration“ um den Schweizer Ivo Sasek hat nicht nur die unbiblische Seelenwanderungstheorie, sondern auch 5G-Warnungen in ihrem Programm, welches durch eine eigene Medienplattform namens Kla.TV beachtliche Verbreitung findet.

Allerdings warnen vor dem 5G-Schädigungspotential keineswegs nur Verschwörungsmythen, sondern auch manche Ärzte, Wissenschaftler und Politiker. Ja die sind oft sogar entsetzt darüber, dass ihre sachlich vorgebrachte Kritik in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit zum Teil vermischt wird mit verschwörungstheoretischen Alarmismen.

Tatsächlich sollte gut begründete Besorgnis angesichts der teils neuartigen 5G-Strahlung nicht diskreditiert werden durch populistische „Mythen“ und mit ihnen vermengte sektiererische oder esoterische Programme verschwörungstheoretischer Art. Hier sind entschieden jene Differenzierungen einzufordern, an denen es Verschwörungstheoretikern zu mangeln pflegt.

 

5G DISKUSSION IN DER EU

Nüchtern betrachtet sind aber auch umgekehrt Propagandisten von 5G in Politik und Wirtschaft keineswegs frei von „Mythen“-Bildungen. Das gilt für TV-Werbespots, die das ungeheure „Echt-zeit“-Tempo von 5G mit einem geradezu mystisch anmutenden „Jetzt“ und romantisierend-kuscheligen Bildern verbindender Gemeinschaft anpreisen.

Es gilt aber auch für den argumentativ allzu gern bemühten Mythos von „der“ Wissenschaft, die es so einhellig und neutral gerade auch im Blick auf Mobilfunk gar nicht gibt. Insofern tragen pauschale Behauptungen wie die, niemand müsse Angst vor Mobilfunkstrahlung und namentlich 5G haben – in diesem Sinne äußerte sich Inge Paulini als Präsidentin des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) –, Züge einer Verschwörungstheorie umgekehrter Art, die sich gegen sämtliche Bedenkenträger richtet.

Dass die Dinge nicht so einfach liegen, illustriert etwa der Umstand, dass im Februar 2020 der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments in einem Abgeordneten-Briefing ausdrücklich auf 5G-Risiken hinwies: „Zusammen mit der Art und Dauer der Exposition scheinen Eigenschaften des 5G-Signals wie das Pulsieren die biologischen und gesundheitlichen Auswirkungen der Exposition zu verstärken, einschließlich der DNA-Schäden, die als Ursache für Krebs angesehen werden.“ Eine Studien-Übersicht zu 5G aus den USA von Ronald Kostoff und anderen Forschern betonte: „Fügt man 5G zu schon vorhandenen schädlichen Strahlungsverhältnissen hinzu, verschlimmern sich die ohnehin schon vorhandenen Gesundheitsschädigungen.“

Ein weiteres Beispiel für 5G-Verschwörungstheorien umgekehrter Art ist der Umstand, dass der Rat der EU, der noch 2011 in einer Resolution dazu aufgerufen hatte, alle zumutbaren Maßnahmen zu „ergreifen, um die Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern zu verringern, insbesondere gegenüber hochfrequenten Wellen von Mobiltelefonen“, sich im Juni 2020 in seinen „Schlussfolgerungen zur Gestaltung der digitalen Zukunft Europas“ ganz anders äußerte: Demnach sollten Informationen, wonach das 5G-Netz eine Gefahr für die Gesundheit darstelle, als „Falschbehauptung“ eingestuft werden, und es sollte gegen deren Verbreitung vorgegangen werden!

Solch undifferenzierte und undialogische Positionierung trägt indirekt und ungewollt zur Förderung von 5G-Verschwörungstheorien bei.

Zweifellos wäre es zu billig, sämtliche 5G-Besorgnis als verschwörungstheoretisches „Geschwurbsel“ von „Aluhut-Trägern“ abzutun. Vielmehr ist es mit Blick auf das in den EU-Verträgen verankerte Vorsorgegebot vernünftig, sich vor der veränderten 5G-Strahlungsart und auch vor den damit verstärkt eröffneten Überwachungsmöglichkeiten in Acht zu nehmen.

Darum gebührt all jenen europäischen Städten und Regionen wie Genf, Brüssel und anderen durchaus Respekt, die ein vorläufiges Nein gegenüber 5G beschlossen haben – bis die biologische Unschädlichkeit eindeutig bewiesen ist.

Prof. Dr. Werner Thiede

Pfarrer und Publizist.

1991–1996 war er wissenschaftlicher Referent an der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Stuttgart.

 

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