Evangelium und Kirche

Bericht von der Landessynode Frühling 2022

Hier können Sie den Bericht von der Frühjahrstagung der Landessynode 2022 als PDF-Datei herunterladen.

EuK-Synodalbericht Frühjahr 2022 (4 MB)

 

Die Frühjahrstagung der Landessynode im März 2022

EuK berichtet

Text:
Christoph Schweizer
und die Mitglieder des Gesprächskreises

 

Ernst-Wilhelm Gohl wird Landesbischof

Dekan und EuK-Vorsitzender Ernst-Wilhelm Gohl nimmt die Glückwünsche der Präsidentin der Landessynode Sabine Foth (OK) entgegen. Foto: elk-wue.de / Gottfried Stoppel

Ernst-Wilhelm Gohl heißt der neue Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Die Landessynode hat ihn am Samstag, 19. März gewählt. Gohls Einsetzung wird am 24. Juli bei einem Gottesdienst in der Stuttgarter Stiftskirche gefeiert. Ernst-Wilhelm Gohl wurde im fünften Wahlgang mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit von 57 von 84 Stimmen gewählt.

 

Ernst-Wilhelm Gohl war von unserem Gesprächskreis Evangelium und Kirche als Kandidat vorgeschlagen worden. „Ich finde, es ist ein starkes Zeichen, dass wir über alle Unterschiede hinweg uns einigen konnten,“ sagte Gohl zur Wahl durch die Synode, der er selbst angehörte. „Das ist ein hoffnungsvolles Zeichen für die künftige Zusammenarbeit. Der Geist Jesu führt zusammen. Das möchte ich auch als wichtiges Signal in unsere Gesellschaft hineinsenden.“

 

Landesbischof Dr. Frank Otfried July sagte an seinen Nachfolger gerichtet: „Ich freue mich, dass in den Herausforderungen und Veränderungsprozessen der nächsten Jahre mit Ernst-Wilhelm Gohl eine Person Verantwortung übernimmt, die gewillt ist, diese Prozesse mitzusteuern und mitzugestalten und dies im geistlichen Horizont des Auftrags der Landeskirche, das Evangelium von Jesus Christus zu verkündigen.“

 

Synodalpräsidentin Sabine Foth, die auch Vorsitzende des Nominierungsausschusses ist, erklärte: „Mit Ernst-Wilhelm Gohl ist ein Pfarrer an die Spitze der Landeskirche gewählt worden, der vielfältige Erfahrungen in unterschiedlichen Arbeitsfeldern als Theologe gesammelt hat und diese nun der gesamten Kirche zugutekommen lässt. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihm.“

 

Zuvor hatte Gohl bei seiner Vorstellung gesagt: „Wir müssen die anstehenden Veränderungsprozesse konstruktiv angehen.“ Vor lauter Sorge, einen Fehler zu machen, geschehe oft gar nichts. Dieser Haltung will der neue Landesbischof mehr Agilität entgegensetzen, „Fehlerfreundlichkeit und Grundvertrauen ins Gegenüber“.

 

Den Kirchen wehe der Wind hart ins Gesicht. Die Debatte um Missbrauch und sexualisierte Gewalt habe das Vertrauen massiv erschüttert. „Wir sind an dieser Stelle gefordert – und ich bin außerordentlich dankbar, was wir als Kirche und Diakonie in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben“, sagte Gohl. Er erinnerte an die seit 2015 arbeitende, unabhängige Kommission und das jüngst beschlossene landeskirchliche Gewaltschutzgesetz. Wie die Landeskirche mit dem Thema Missbrauch umgehe, sei „ein Gradmesser für unsere Glaubwürdigkeit. Daher hat für mich die Aufarbeitung und die Prävention oberste Priorität“, sagte Gohl.

 

Er schlug in seiner Vorstellung auch nachdenkliche Töne an. Der Angriffskrieg auf die Ukraine führe „brutal vor Augen“, dass wir „in einer unversöhnlichen Welt“ leben. Putins Überfall auf die Ukraine werfe neue friedensethische Fragen auf. Noch immer gelte der Aufruf des Ökumenischen Rates der Kirchen von 1948: „Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein.“ Doch daneben gelte zugleich, „dass die Ukraine ein Recht hat, ihre Freiheit gegen diesen Überfall zu verteidigen“. Dies sei „ein friedensethisches Dilemma“.

 

Gohl warb dafür, bei aller Debattenfreundlichkeit auch dem Auftrag der Versöhnung nachzugehen. Wer in fixierten Positionen verharre, verliere leicht „den Schatz, der uns anvertraut ist“. Positiv stilbildend sei für ihn die synodale Debatte um die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare gewesen: „Wir waren sehr weit auseinander. Wir haben aufeinander gehört und uns ausreden lassen. Allmählich ist aber etwas Neues entstanden. Eine Verständigung darüber, dass unterschiedliche Positionen ihr Recht haben – auch wenn ich sie nicht teile.“

 

Das Thema Digitalisierung sei „nicht nur ein Megatrend, sondern durchzieht alle Bereiche unserer Wirklichkeit“. Darin liege auch eine theologische Aufgabe. Diese Prozesse möchte Gohl als Landesbischof „konstruktiv begleiten und die nötigen Veränderungsprozesse zuversichtlich angehen“. Die Zeit, in der es zum guten Ton gehörte, in der Kirche zu sein, sei vorbei. Deshalb brauche die Kirche eine gute Öffentlichkeitsarbeit. „Dazu gehört auch kirchliche Präsenz in den sozialen Medien“, sagte Gohl, der selbst auf Facebook und Instagram aktiv ist. Auch auf diesen Plattformen werde vom Evangelium erzählt. „Auf Instagram folge ich verschiedenen jungen Kolleginnen und Kollegen und freue mich an ihrer frischen und unkonventionellen Art. Super. Sie erreichen dadurch Menschen, die ich nicht erreiche“, berichtete Gohl.

 

Gohl erklärte, für das Amt des Landesbischofs bringe er die Fähigkeit mit, „über mich selbst lachen zu können und mich in aller Aufgeregtheit um mich herum nicht allzu ernst zu nehmen“. Standhaftigkeit habe er „bitter gelernt im Handball als Schiedsrichter“. Er bringe auch „Ernsthaftigkeit mit in den theologischen Fragen und in der Grundausrichtung meines Lebens. ‚Wer in Christus ist, der ist eine neue Kreatur‘, das war der Wochenspruch bei meiner Investitur zum Dekan in Ulm. Davon lebe ich. Darauf lebe ich hin. Mit anderen. In dieser Kirche“, schloss Gohl.

 

Presseecho auf die Wahl

Foto: elk-wue.de / Gottfried Stoppel

Der Weg zur Wahl war steinig. Nach vier ergebnislosen Wahlgängen kommentierten viele in den Sozialen Netzwerken, das Wahlprozedere sei nach außen kaum zu vermitteln. Betrachtet man das Presseecho auf die Wahl, so finden sich durchaus anerkennende Töne auf das Wahlergebnis. Eher kritisch startet Michael Trauthig in seinem Kommentar in der Stuttgarter Zeitung: „Württembergs Landesbischof kommt mit einer Hypothek ins Amt.“ Dennoch sei die Wahl „letztlich gut“. Selbst Kritiker würden einräumen, dass Ernst-Wilhelm Gohl mitbringe, was ein Bischof brauche. Das seien „Erfahrung, Redetalent, theologischer Sachverstand und das Geschick, zwischen unterschiedlichen Positionen zu vermitteln. Mit diesen Fähigkeiten wird er den kleinen Fehlstart schnell vergessen machen.“

Auch Elisabeth Zoll von der Südwestpresse sieht in Ernst-Wilhelm Gohl „eine gute Wahl“. Er könne Brücken bauen „mit seiner profilierten, persönlich sehr verbindlichen Art“.

 

Kommentar zur Wahl

„Ich bin richtig glücklich, dass es gelungen ist, bei dieser Frühjahrstagung einen neuen Bischof zu wählen. Wenn man an politische Wahlen denkt - obwohl der Vergleich ja mehr als hinkt - ist die Zweidrittelmehrheit eine ziemlich hohe Hürde. Ich habe wirklich Respekt vor allen (ehrenamtlichen!) Synodalen, denn für sie war diese Frühjahrstagung sicher besonders intensiv. Dass die Wahl von Ernst-Wilhelm Gohl am Ende des gemeinsamen Ringens stand, dafür bin ich dankbar. Das ist für mich ein starker und hoffnungsvoller Ausgangspunkt für das, was da noch kommt - in der Synode und in unserer Landeskirche.“

 

Damaris Läpple, Mitglied in EuK-Leitungskreis
und Social-Media-Team

 

Ernst-Wilhelm Gohl will „Rollenklarheit“ und gibt Mandat in der Landessynode ab

Foto: elk-wue.de / Gottfried Stoppel

Dekan Ernst-Wilhelm Gohl konzentriert sich auf seine Aufgabe als künftiger Landesbischof und gibt mit sofortiger Wirkung seine kirchenpolitischen Ämter auf. „Mir ist die Rollenklarheit wichtig. Ich war gerne Landesvorsitzender von Evangelium und Kirche (EuK) und habe mich mit aller Kraft als Synodaler in die Landessynode eingebracht. Mit meiner Wahl ist nun klar, dass ich all diese kirchenpolitischen Ämter abgebe, um mich voll und ganz auf die kommenden Aufgaben als Landesbischof vorbereiten zu können. Unsere Landeskirche zeichnet eine große Vielfalt aus und mir ist es wichtig, dieser Vielfalt an Menschen, Einrichtungen und Gemeinden mit maximaler Offenheit zu begegnen, so wie ich es auch schon jetzt in meinem Amt als Pfarrer und Dekan tue“, so Ernst-Wilhelm Gohl.

 

Johannes Eißler, Synodaler und Mitglied im Präsidium der Synode, dankte Ernst-Wilhelm Gohl für sein Wirken als Synodaler von EuK: „Ernst-Wilhelm Gohl ist ein bestens vernetzter und allseits respektierter Gesprächspartner und Brückenbauer. Dies wird ihm auch jetzt als Landesbischof zugutekommen. Wir werden ihn im Gesprächskreis vermissen. Für sein neues Amt wünschen wir ihm Gottes Segen.“

 

Dr. Martin Böger sprach Ernst-Wilhelm Gohl für seinen großen Einsatz als EuK-Landesvorsitzender seinen Dank aus: „Er ist ein profilierter Theologe, der mit seiner Expertise, seinem Elan und seiner Diskussionsfreude unseren Gesprächskreis entscheidend und inhaltlich geprägt hat. Wir verdanken ihm viel.“ Schon nach seiner Nominierung als Kandidat ließ Ernst-Wilhelm Gohl sein Amt des Landesvorsitzes ruhen. Dr. Martin Böger, stellvertretender Landesvorsitzender, wird den Landesvorsitz kommissarisch übernehmen, bis dann auf der kommenden Herbsttagung der oder die 1. und 2. Vorsitzende neu gewählt werden.

 

Friedensgebet

EuK-Synodaler Thorsten Volz zündet eine Kerze in der Andacht der Landessynode an. Foto: elk-wue.de / Gottfried Stoppel

Anstelle der „Aktuellen Stunde“ nahm sich die Landessynode am Samstag Zeit für ein Friedensgebet. Gäste aus Osteuropa waren per Video zugeschaltet und berichteten zu Beginn aus der Situation ihrer Länder und Kirchen. Der württembergische Pfarrer Matthias Lasi, zurzeit als EKD-Auslandspfarrer bei der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Gemeinde St. Katharina in Kiew, war kurz vor Kriegsbeginn mit einem der letzten Flüge ausgereist. Seine Familie hilft nun in Deutschland geflüchteten Menschen. Er berichtete, dass die Gemeindeglieder in Kiew sich in einer sehr gefährlichen Situation befänden. „Mit der Bombardierung wächst auch bei mir die Angst um die Gemeinde“, sagte Lasi.

 

Die Generaldirektorin der Diakonie der Evangelischen Kirche in Polen, Wanda Falk, berichtete, dass ihre Diakonie helfe, Wohnraum bereitzustellen, Integrationsprogramme aufzubauen, Sprachkurse zu organisieren oder psychologische Hilfe bereitzustellen. Pfarrer Stefan Cosoroaba von der Evangelischen Kirche in Rumänien zufolge bringt die Unterstützung für Geflüchtete seine Kirche und Gesellschaft an die Zerreißgrenze. Viele fänden in Gemeindehäusern und kirchlichen Gästehäusern Schutz. Es handle sich „um einen Einsatz mit Open-End. Wir wissen nicht, was morgen sein wird und wir wissen nicht, ob wir die Kapazität haben, diese Hilfe gut zu Ende zu führen.“ Die Evangelische Kirche in der Slowakei hilft an der ukrainischen Grenze. Das berichtete der Distriktbischof von Prešov, Peter Mihoc. Bereits in den ersten Tagen nach Kriegsbeginn seien tausende Flüchtlinge über die Grenze gekommen, vor allem Frauen und Kinder. Seine Kirche helfe bei der Beschaffung von Unterkünften und Dokumenten. Die Gäste beteiligten sich beim anschließenden Friedensgebet.

 

„Geistesgegenwart“: Julys letzter Bischofsbericht

In seinem Bericht sprach der Landesbischof über die Haltung der „Geistesgegenwart“. Die Situation nach dem russischen Angriff auf die Ukraine bedeute eine Zeitenwende. In vielen Gemeinden werde zu Friedensgebeten eingeladen. „Im Hören auf das Wort Gottes und im Gebet können wir unserer Sprachlosigkeit Worte geben lassen“, so der Landesbischof. July forderte dazu auf, die Menschen in den anderen Konfliktherden und Kriegen nicht zu vergessen, etwa in Eritrea, Afghanistan, und Ostafrika, oder die Menschen an den Außengrenzen Europas, die in Europa Schutz suchen.

 

Landesbischof July verwies darauf, dass am 1. Januar 2022 das kirchliche Gewaltschutzgesetz in Kraft getreten sei, und das wissenschaftlich begleitete Projekt „Auf!“ zur Aufarbeitung habe 2021 begonnen. Die Landeskirche werde weitere Schritte zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt unternehmen.

 

Das öffentliche Verständnis für Regelungen des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche werde verstärkt hinterfragt. Transparenz sei wichtig, etwa bei Finanzen und der Kirchensteuer. Die Kirche müsse ihre Chancen zur öffentlichen Wirkung wahrnehmen, beispielsweise im Rahmen von Quartiersarbeit, neuen Gottesdienstformen und verschiedenen Zugangsformen zur Kirche in Jugendarbeit und Diakonie. Religionsunterricht an öffentlichen Schulen und die Ausbildung kirchlicher Verkündigungsämter an staatlichen Universitäten seien „Ausdruck des aufgeklärten Zusammenwirkens zwischen Staat und Kirche“, sagte July. Die Kirche und auch die Gesellschaft bräuchten theologische Impulse für ihre Diskurse. Der gesamtgesellschaftliche Diskurs habe erheblich gelitten. Wichtig sei nun die Kommunikation des Evangeliums „an runden Tischen, in der Begleitung von Kranken und Sterbenden, in Quartiersarbeit und Bildung“. Um die ökumenische Verbundenheit voranzubringen, schlägt der scheidende Landesbischof vor, Mitgliedern der internationalen Gemeinden Plätze in den Reihen der Synode einzuräumen.

 

Gesprächskreisvotum von Amrei Steinfort

Nach fast 17 Jahren als Landesbischof legt Frank Otfried July „eine Art Resümee und eine Bestandsaufnahme vor“, sagte Amrei Steinfort in ihrem Gesprächskreisvotum für Evangelium und Kirche. Es sei gut, „uns anhand dieser Bestandsaufnahme zu überprüfen. Sind wir geistesgegenwärtige Kirche? Sind wir auf dem richtigen Weg?“

 

Die Synodale ging auf das Thema „Umgang mit sexualisierter Gewalt im Raum von Kirche und Diakonie“ ein. „Diesen Punkt nenne ich als ersten, nicht nur, weil er im öffentlichen Bewusstsein beim Thema Kirche obenauf liegt, sondern vor allem, weil die Betroffenen sexualisierter Gewalt bei uns als Kirche oben aufliegen müssen“, sagte sie. Steinfort: „Gut, dass schon Vieles auf den Weg gebracht wurde. Aber wir dürfen nicht nachlassen in der Aufarbeitung, Ehrlichkeit und Transparenz, in der Unterstützung von Betroffenen.“ Das Thema müsse in die Struktur der Landeskirche überführt und eine stärkere Vernetzung in die Gesellschaft angestrebt werden, etwa mithilfe einer eigenständigen, weisungsungebundenen Fachstelle für sexualisierte Gewalt.

 

Die Rufe nach einer deutlichen Trennung von Kirche und Staat würden „mehr, und sie werden lauter“. Steinfort fragt: „Wollen wir angesichts dieses Themas wie das Kaninchen vor der Schlange erstarren oder sollten wir nicht bei diesem Thema etwas pro-aktiver werden?“ Die Kirche habe gute Argumente auf ihrer Seite. Niemand könne sich „eine ins Abseits gedrängte Religion wünschen, die in dunklen Nischen verschwindet“.

 

Die Diskussion um den assistierten Suizid zeige, dass eine öffentliche Religion und wissenschaftliche Theologie Wichtiges zur Debatte beisteuerten. Mit den diakonischen Einrichtungen sei die Kirche Teil der Gesellschaft und setze sich für sie ein. Und „als Kirche beteiligen wir uns mit den verschiedenen Formaten kirchlich verantworteter Bildung an der Aufgabe des Staates, mündige Bürgerinnen und Bürger heranzubilden“.

 

Zu einem pro-aktiven Umgang gehöre auch die offene Diskussion von Kritikpunkten. Beim kirchlichen Arbeitsrecht bestehe Regelungsbedarf. Steinfort nannte ein Beispiel: „Wir bilden an unseren evangelischen Fachschulen junge muslimische Frauen zu Erzieherinnen aus, sie nehmen dort mit Engagement und interreligiöser Offenheit am Religionsunterricht teil und dürfen dann nicht in unseren Kitas arbeiten. Das ist nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung schief.“ Auch das heikle Thema „Ablösung der Staatskirchenleistungen“ soll Steinfort zufolge „pro-aktiv“ angegangen werden, indem die Kirchen es von sich aus auf der Agenda halten.

 

Den Vorschlag des scheidenden Landesbischofs, die Synode um einen Sitz für die Ökumene zu erweitern, findet Steinfort gut. Die konkrete Umsetzung müsse aber geklärt werden: „Wie wird dieser eine Vertreter / diese Vertreterin ausgewählt? Wer entsendet sie oder ihn?“ Steinfort sprach gegenüber Landesbischof July großen Dank für seine treue Amtsführung aus.

 

Homosexuelle Ehepaare im Pfarrhaus

Das Kollegium hat einen Antrag der Synode – mehrheitlich von Synodalen von Offener Kirche und EuK eingebracht – umgesetzt: Verheiratete homosexuelle Pfarrerinnen und Pfarrer dürfen nun ohne Einschränkung im Pfarrhaus leben. Für Pfarrstellen- Besetzungen darf die sexuelle Orientierung keine Rolle mehr spielen.

 

„Hoffnungsgeberinnen“- Grußwort des Landtags-Vizepräsidenten

„Ich danke den Kirchen und religiösen Gemeinschaften, dass sie Hoffnungsgeberinnen sind in Diakonie und Seelsorge.“ Das sagte der Vizepräsident des Landtags Baden-Württemberg und kirchenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Daniel Born, in seinem Grußwort. Die Landessynode könne „die Kirche und Gesellschaft als Ganze, in die Sie stark hineinstrahlen, positiv entwickeln.“ Es sei „ein wichtiges Zeichen, dass Sie offene Augen, Ohren und Herzen haben für gesellschaftliche Themen.“

 

 

Landeskirchliche Verwaltungsreform: Der aktuelle Stand

Es ist das Bohren eines dicken Bretts: Schon seit Jahren ist eine umfassende Reform der landeskirchlichen Verwaltungsstruktur und der Kirchenpflegen in Vorbereitung – Stichwort „Projekt Kirchliche Strukturen 2024plus“. Oberkirchenrat Christian Schuler präsentierte den aktuellen Stand in Form eines „Eckpunktepapiers“, das in den Synodenausschüssen beraten worden war. Die neue Verwaltungsstruktur orientiere sich an den Landkreisgrenzen. Die Trägerschaft der Regionalverwaltungen soll bei der Landeskirche liegen. Ein neues Berufsbild „Assistenz der Gemeindeleitung“ soll geschaffen werden. Der Übergang soll behutsam gestaltet und an die laufenden Pfarrplanprozesse, das Digitalisierungsprojekt und die Reform des Finanzwesens angepasst werden. Bestehende leistungsfähige Strukturen, beispielsweise große Kirchenpflegen, würden nicht zerschlagen, sondern in die neue Struktur überführt. Eine vernetzte und zukunftsfähigere Verwaltungsstruktur soll entstehen, jede Kirchengemeinde soll durch stabile und rechtssicher agierende Finanz- und Personalverwaltung unterstützt und Pfarrerinnen und Pfarrer in Verwaltungsfragen entlastet werden.

 

„Ich finde es gut, dass Anregungen aus Gemeinden und Bezirken aufgegriffen wurden“, sagte der EuK-Synodale Dr. Harry Jungbauer in der Aussprache. Er lobte die beabsichtigte Nähe zu den einzelnen Gemeinden. Er wies darauf hin, dass es besonders auf die Gestaltung der Übergänge ankomme. „Es ist wichtig, dass wir funktionierende Systeme nicht zerschlagen, sondern eine angemessene Übergangsfrist dabeihaben und auch Vertretungssituationen im Blick haben.“ Auch die Schaffung des neuen Berufsbilds der Assistenz der Gemeindeleitung sei eine Herausforderung: „Wir führen zwei ganz unterschiedliche Berufsbilder zusammen.“ Dies erfordere gute Fortbildungsangebote.

 

Mittelfristige Finanzplanung

EuK-Synodaler Jörg Schaal kommentiert die Finanzplanung der Landeskirche

Der Oberkirchenrat legt der Synode eine „zuversichtliche, mittelfristige Eckwerteplanung vor“ – so fasste Oberkirchenrat Dr. Martin Kastrup, der Finanzdezernent des Oberkirchenrats, die Finanzprognose 2022 bis 2026 zusammen. Die Prognose sei jedoch vor Ausbruch des Ukraine- Krieges erstellt worden. Dessen ökonomische Folgen seien nicht berücksichtigt.

 

Bei der Zahl der Kirchenmitglieder ist der Oberkirchenrat optimistisch. Er geht davon aus, dass sich der Rückgang der Mitgliederzahlen verlangsamt. Mit geeigneten Maßnahmen sollen Austritte reduziert, Taufen und Eintritte gesteigert werden. Die schnelle Erholung der Wirtschaft während der Corona-Pandemie habe sich positiv auf die Kirchensteuererträge ausgewirkt.

Die strategische Zielvorgabe von Einsparungen in Höhe von nominal 0,9 und real 2,6 Prozent pro Jahr bis 2030 bleibe erhalten, erklärte Kastrup. Jedoch werde mit einem Inflationszuschlag in Höhe von 2,2 Prozent geplant.

 

Im Zuge der Umstellung im landeskirchlichen Rechnungswesen werden rund 500 Rücklagen aufgelöst. Daraus können rund 140 Millionen Euro in die Ergebnisrücklage überführt werden. Davon sollen 40 Millionen einen „Restrukturierungsfonds“ bilden, der bis 2030 genutzt werden solle, um die Zukunftsfähigkeit kirchlicher Strukturen in der Fläche sicherzustellen. 100 Millionen Euro sollen der Stiftung Versorgungsfonds zugeführt werden, um die Absicherung der Altersvorsorge des Pfarrdienstes zu verbessern.

 

Wichtige Info für Bezirke und Gemeinden:

Der Kirchensteuer-Verteilbetrag kann voraussichtlich 2023 um 1,5 Prozent und 2024 um 1,2 Prozent erhöht werden. So soll die höhere Inflationsrate ausgeglichen werden. Darüber hinaus soll der Verteilbetrag um einen Sonderbeitrag erhöht werden. 24 Millionen sollen in den kommenden Jahren für Klimaschutzmaßnahmen in den Ausgleichsstock fließen.

 

Jörg Schaal betonte in seinem Votum für den Gesprächskreis Evangelium und Kirche die Bedeutung der inhaltlichen Debatten auf allen Ebenen, gerade angesichts der Unsicherheiten bei Finanzen und Mitgliederzahlen. „Wenn die Mitgliederzahl bis in vierzig Jahren halbiert sein soll, dann muss der Missionsgedanke auch für Württemberg noch stärker angewendet werden. Nicht ‚nur‘ für die ganze Welt, sondern auch vor der eigenen Haustür“, ist Schaal überzeugt. Er sprach einen herzlichen Dank aus „an alle Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen, die sich sehr viel Zeit dafür nehmen und sehr kreativ dieses Thema anpacken“. Die kirchlichen Berufe müssten attraktiver gemacht werden. „Mit Geld alleine, wenn es vorhanden ist, ist es nicht getan.“ In der Bildung sehe Evangelium und Kirche große Chancen. „Egal ob in den Kinder- und Jugendgruppen, in den Tagungshäusern oder in der Erwachsenenbildung – überall wird gebildet und gelehrt. Auch hier müssen Geld und Kreativität miteinander spielen, damit wir hier gut bleiben und genügend Personal haben und das Angebot auch angenommen wird“, so Schaal.

 

In der Aussprache sprachen sich einige Synodale für den Erhalt des landeskirchlichen Friedenspfarramtes aus. Sie nehmen Anstoß daran, dass der Oberkirchenrat einer möglichen Kürzung vorgreift und die aktuell nicht besetzte, halbe Pfarrstelle nicht ausschreibt. Dr. Antje Fetzer (Offene Kirche), sagte, wenn man an der Schwelle zu einem möglichen Dritten Weltkrieg stehe und Krieg als „ultima ratio“ diskutiert werde, bekomme das Friedenspfarramt eine neue Priorität. Burkhard Frauer (Evangelium und Kirche) betonte die besondere Aufgabe eines Friedenpfarramtes, für die Vernetzung mit Gesellschaft und Politik zu sorgen und das Thema Frieden theologisch zu durchdenken. Dr. Harry Jungbauer (ebenfalls EuK) regte an, den laufenden Prozess zur Definition von Prioritäten und Posterioritäten abzuwarten. Oberkirchenrat Prof. Dr. Ulrich Heckel schließlich sicherte zu, die Frage des Friedenspfarramtes im Kollegium des Oberkirchenrats und in der AG „Prioritäten und Posterioritäten“ in die Diskussion einzubringen.

 

Audiovisuelle Teilnahme weiter möglich

Mit einer Änderung des Kirchenverfassungsgesetzes hat sich die Landessynode in die Lage versetzt, dass in eng begrenztem Rahmen die audiovisuelle Teilnahme an Verhandlungen der Landessynode möglich bleibt. Dies gilt allerdings nicht für geheime Wahlen und geheime Abstimmungen. Die audiovisuelle Teilnahme soll eine Ausnahme sein, etwa bei Verhinderung durch Krankheit oder Ähnliches.

 

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