Evangelium und Kirche

Der auferstandene Jesus begegnet Maria Magdalena (Dominikaneraltar Colmar)

Impuls: Die Reise zum Kern unserer Existenz

Von Dr. André Bohnet

 

LIEBE LESERINNEN UND LESER,

während ich diese Zeilen schreibe, befinden wir uns im harten Lockdown und es beginnt die Passionszeit – jene Zeit im Kirchenjahr, in der wir das Leiden und Sterben Jesu Christi reflektieren.

 

DIESE SIEBEN WOCHEN bis zum Osterfest sind für mich die bedeutendste und emotionalste Zeit im Kirchenjahr. Hier ist alles verdichtet, woran wir glauben und woran wir uns im Leben und Sterben klammern dürfen. In diesen Wochen schreiten wir mit Christus auf dem Weg vom tiefen Leiden und Sterben hin zum Licht der Auferstehung; vom „Haupt voll Blut und Wunden“ (EG 85) am Karfreitag zum „Christ ist erstanden“ (EG 99) am Ostersonntag.

 

DIESE SIEBEN WOCHEN sind gleichzeitig eine Reise zum tiefsten Kern unserer menschlichen Existenz. Mit dem leidenden Christus kommt auch unser Leid zum Vorschein. Und umgekehrt: Christus leidet an unserem Leid mit, denn „nur der leidende Gott kann helfen“ (Dietrich Bonhoeffer).

 

So führt uns jene Reise zum Kern unserer Existenz auch hinein in unsere ganz persönlichen Ängste, in unsere Not und in die tief verborgenen Schreie unserer Seele. Sie sind eingefasst, mit hinein genommen in das Leiden Christi. Vielleicht erleben wir gerade in diesem Jahr des Lockdowns die Passionszeit als solch eine Reise umso intensiver.

 

DOCH JENE REISE zum Kern unserer Existenz findet ihr Ziel am Ostermorgen, am leeren Grab des Auferstandenen. Die finstere Todesnacht, der härteste „Lockdown“ überhaupt, konnte ihn nicht im Grab halten. Das neue Leben ist angebrochen, es liegt schon für uns bereit. Und das Licht am Ostermorgen macht mir wieder deutlich, wo auch für uns die Reise einmal hinführt: Zur Auferstehung, zum neuen Leben in Gottes kommender Welt. „Das Osterlicht ist der Morgenglanz nicht dieser, sondern einer neuen Erde“ (Gertrud von le Fort).

 

Es wird Ostern, auch in diesem Jahr. Das Leben hat über den Tod gesiegt, das Licht hat die Finsternis niedergerungen. Und wir können getrost und voll Hoffnung ausrufen: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden“ (Lk 24,34).

Dr. André Bohnet

Pfarrer in Bad Wildbad-Calmbach und Landessynodaler

 

Zurück zum Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 1/2021