Ein neuer Bischof, eine neue Bischöfin für Württemberg
(Von Johannes Eißler, EuK-Informationen 1/2022)
Mit Dr. Viola Schrenk (51), Gottfried Heinzmann (56) und Ernst-Wilhelm Gohl (58) stehen drei Persönlichkeiten mit ganz unterschiedlichen Profilen zur Wahl fürs Bischofsamt bereit. Die promovierte Theologin Schrenk bringt die Nähe zur universitären Theologie mit, Pfarrer Heinzmann kann mit Kenntnissen in der Leitung von größeren kirchlichen und diakonischen Einrichtungen punkten, Dekan Ernst-Wilhelm Gohl ist der Mann der Praxis, der sich ohne Zweifel durch große Erfahrung kirchenleitenden Handelns auszeichnet.
Ernst-Wilhelm Gohl leitet einen der großen Kirchenbezirke unserer Landeskirche, der in vielerlei Hinsicht Extreme zusammenbringt. Im Kirchenbezirk Ulm steht nicht nur der höchste Kirchturm der Welt, sondern findet sich auch die kleinste Kirchengemeinde. Ernst-Wilhelm Gohl schafft den Spagat zwischen städtischer und dörflicher Struktur. Er ist sich nicht zu schade, sonntags auf dem Dorf zu predigen und – wenn Not am Mann ist – in der Vakatur-Zeit einer seiner 38 Gemeinden Konfirmandenunterricht zu erteilen oder die Kirchengemeinderatssitzung zu leiten.
In Stuttgart steuert er als Mitglied des Landeskirchenausschusses die Personalpolitik an entscheidender Stelle mit und scheut sich nicht, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen. Auch wenn er selbst äußerst agil wirkt, ist Gohl ein entschiedener Gegner von Aktionismus in der Kirche. „Wir brauchen nicht noch weitere Studien und Projekte. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“, sagt er. Mit ihm an der Spitze der Landeskirche dürften notwendige Veränderungen zügiger als bisher umgesetzt werden.
Man staunt immer wieder, wie informiert und theologisch belesen der Ulmer Dekan ist. Trotz seiner vielfältigen Aufgaben findet er Zeit, zum Beispiel Bücher von Navid Kermani und Miroslav Volf zu lesen und die aktuellen theologischen Debatten informiert zu verfolgen. Ein klares Nein kommt von ihm zum „assistierten Suizid“ in Häusern der Diakonie. Offen dagegen zeigt er sich bei der Frage, ob auch muslimische Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter in diakonischen Einrichtungen tätig sein können. Im Blick auf öffentliche Äußerungen der Kirche zu politischen Fragen, rät er eher zur Zurückhaltung: „Weniger ist mehr!“ Insgesamt wünscht er sich eine Kirche, die an der Basis diakonischer und gemeinwesenorientierter unterwegs ist – bescheiden und doch selbstbewusst im Auftritt.
Während seines Studiums in Rom haben ihn besonders die Waldenser beeindruckt. „Die Theologie der Diaspora hat mich geprägt“, sagt Gohl, der aus einem württembergischen Pfarrhaus stammt. Ein Schmerz bleibt und trägt dazu bei, dass der gebürtige Stuttgarter nüchtern und bodenständig geblieben ist: Der Sohn Johannes verunglückte im Alter von dreieinhalb Jahren tödlich.
Seit 2014 ist Ernst-Wilhelm Gohl Vorsitzender von „Evangelium und Kirche“ und Leiter des synodalen Gesprächskreises. In den monatlichen Treffen des Leitungskreis, einer Art Denkfabrik für die Landeskirche, werden die aktuellen Fragen beraten und so Vorarbeit für die Diskussion in der Landessynode geleistet. Im Gesprächskreis erleben wir ihn als Teamplayer, der es versteht, die Stärken des Teams zur Geltung zu bringen.
Uneitel, nahbar, humorvoll und unglaublich kommunikativ – diese Eigenschaften von Ernst-Wilhelm tragen dazu bei, dass unsere Zusammenarbeit in der Landessynode so konstruktiv ist und Spaß macht. In alle Gesprächskreise hinein unterhält er freundschaftliche Kontakte. Er sucht das Gespräch und scheut die Auseinandersetzung nicht. Die Sozialen Medien nutzt er nicht in erster Linie für die eigene Inszenierung, sondern als Diskussionsplattform. In der Prälaturstadt gilt er als „die evangelische Stimme in Ulm“. Menschen aus seinem näheren Umfeld beschreiben ihn als „maximal belastbar“.
Mit 42 Jahren wurde Ernst-Wilhelm Gohl vor über 16 Jahren zum Dekan in Ulm gewählt. Seine Kinder Michael und Katharina sind inzwischen erwachsen. Er und seine Frau Gabi, eine promovierte Pharmazeutin, fühlen sich ausgesprochen wohl im Dunstkreis des Ulmer Münsters. Sie beide sind aber bereit, die Koffer zu packen, wenn der Ruf ins Bischofsamt erfolgen sollte. Wir vom Gesprächskreis Evangelium und Kirche halten ihn für den Kandidaten, der all das mitbringt, was es derzeit braucht, um die umfassenden Transformationsprozesse anzugehen und zielgerichtet zu moderieren: Erfahrung aus der Gemeindearbeit vor Ort, langjährige Leitungsverantwortung und einen verlässlichen theologischen Kompass. Ernst-Wilhelm Gohl ist ein Brückenbauer, wie er an dieser Stelle gebraucht wird. Ihm ist nicht angst vor der Aufgabe, in einer kleiner werdenden Kirche das Evangelium zum Leuchten zu bringen. Darum unser Votum: Ernst-Wilhelm Gohl – Bischof für Württemberg!
Johannes Eißler
und der Gesprächskreis „Evangelium und Kirche“
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